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Hobby Strahler

Hobby Strahler

Story

Viele der klassischen Nordwände in den Alpen werden mit der Eiger Nordwand verglichen und als „kleine Eiger Nordwand“ oder „Eiger Nordwand von…“ umgetauft. Das kommt nicht von ungefähr, denn oft weisen Berge ähnliche Eigenschaft und das nicht nur in morphologischer Hinsicht (Bänder, Risse, Rampen, usw.) sondern auch was ihre Besteigungsgeschichte betrifft. 

In den dreißiger Jahren wurde die Eiger Nordwand erstbestiegen – so auch die Kristallwand Nordostwand in der Venediger Gruppe. Santer A. und Trost W., zwei Mitglieder der Alpenraute Lienz, konnten als Erste durch die 550m hohe, schattige und abweisende Wand am 9ten August 1933 steigen. Doch hat sich der Andrang zur ersten Wiederholung, im Gegensatz zum Eiger, sehr in Grenzen gehalten. Der lange Zustieg für die Bergsteiger und vor allem die Abgeschiedenheit für die mediale Präsenz, haben die Wand Jahrzehnte lang im Tiefschlaf gehalten. Doch fiel die Wand immer wieder ins Visier der einheimischen Kletterer. So auch in den 70er Jahren als der Matreier Bergführer Köll Peter mit einem Freund in die Wand einsteigen wollte. Dadurch, dass Peter aber noch eine Großvenediger – Führung hatte, konnte er seinen Freund erst am darauffolgenden Tag begleiten. So entschloss sich Peter’s Freund den Zustieg mal alleine auszuchecken. Als er unter der Wand ankam, brauch ein Teil des Seracs rechts oberhalb von ihm ab und verschüttete ihn gänzlich. Erst letzten Sommer konnten Knochenstücke weiter unten von der Alpinpolizei gefunden werden, die auf seinen Tod in diesem Bereich hinweisen. Immer wieder wurden Versuche gestartet, die Wand zu durchklettern, doch meist scheiterte es an der Steinschlaggefahr, an der man in dieser Wand in den Sommermonaten ausgesetzt ist. So sind eigentlich nicht die Kletterer die diese Wand oft besuchen, sondern, wie der Name schon sagt, Kristallsucher. Immer wieder seilen sich sog. „Strahler“ von den seitlichen Graten in die Bänder der Wand hinein um nach des Schätzen, die der Berg freigibt zu suchen.

Im November 2011 starteten Isidor Poppeller und ich unseren ersten Versuch in diese wunderschöne und zugleich abschreckend dunkle Wand. Die Verhältnisse waren optimal, doch unterschätzten wir die Länge und Schwierigkeit der Wand und mussten beim mittleren Band, das die Wand durchzieht hinausqueren und stiegen dann im Dunklen ab. 

Ein Jahr drauf waren wir wieder am Einstieg. Diesmal biwakierten wir etwas davor auf der Moräne um zeitig in die Wand einsteigen zu können. Das Wetter war perfekt und es schien alles zu passen, doch als wir einstiegen lag nur kalter Pulver auf den Gneisplatten – wir würden auch heute den Gipfel nicht erreichen und so kletterten wir gar nicht weg.

Es dauerte dann vier Jahre bis wir Ende Oktober dieses Jahres alles zusammenpasste um einen erneuten Versuch zu starten. Diesmal sollte uns auch Simon Gietl aus Südtirol begleiten. Die vorige Woche brachte Schnee, dann regnete es hinauf bis über 3000m und in den letzen Tagen kühlte es dann gut ab. Wie wir uns also schon zuhause zusammenreimen konnten, fanden wir auch in der Wand super Verhältnisse. Meist Trittschnee und einige vereiste Stellen, die nicht nur vor Steinschlag schützen, sondern das Höherkommen mit Steigeisen und Pickeln deutlich erleichtern. Bei der „Headwall“ angelangt, den oberen noch unbekannten Teil der Wand, konnten wir im linken Bereich einen Schwachpunkt finden, eine Rissverschneidung, die zwar steil aber mit guten Fels auf ein breites Band führte. Starker Wind machte sich dann in der vorletzten und letzten Länge auf, und als wir dann überglücklich den Gipfel erreichten, konnten wir einen gewaltigen Sonnenuntergang ganz alleine für uns genießen! Was für ein Tag, was für eine Wand, danke Jungs für die „Hobby Strahler“! 

Vitto

p.s.: mehr Routeninfos im neuen „Eis- und Mixedklettern in Osttirol und Oberkärnten“ (1.Auflage Jänner 2017)